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           Chronik der Familien Grulich

 

Die Studenten und Geistlichen im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts

 

 

Da unser Vorfahr Johannes von 1683 ab, sein Onkel Jakob Grulich schon seit 1657 die Universität als Theologe besuchte, sei einiges über das damalige Studentenleben und den Stand der Geistlichen vorausgeschickt. Man konnte sich darüber aus den zahlreichen Beschreibungen von Zeitgenossen ein ziemlich klares Bild machen. Johannes und sein Onkel Jakob hatten das Glück gehabt, die gute Stolper Lateinschule (siehe Geschichte der Stadt Stolp) besuchen zu können und somit zu der Würde des Bachchanten zu gelangen, welche die Absolventen der Schule zierte. Mit hocherhobenem Haupte werden sie zur Universität gezogen sein. Aber das stolze Gefühl war nur von kurzer Dauer.

Der neuimmatrikulierte galt ja noch nicht als vollberechtigter Student. Er war nur ein Beanus, ein "Monstrum horrandum, ingens informe bove atque asino ortum", wie der wenig schöne Vers hieß. Er war ferner: "Coesus, ineptus, iners, stolidus, temerarius, audax". Alle erdenklichen untugenden hafteten ihm an, die ihm die Ehre der Zugehörigkeit zu der eigentlichen Studentenschaft noch unwürdig machten. Er mußte erst die "Hörner ablegen" oder "deponieren". Diese feierliche Handlung nahm seine Landsmannschaft vor, unter der Leitung eines von der Fakultät anerkannten "Depositus". Ihr tieferer Sinn, die Ablegung des ungeschliffenen Wesens und der Überhebung darzustellen, war freilich tief hinter alle möglichen Grotesken versteckt.Mit einer gehörnten Ochsenhaut gekleidet und mit geschwärztem Gesicht mußte er schreiend durch die Straßen laufen, bis er in den Saal gelangte, in dem die Feier vor sich ging. Vor der ausgelassenen Corona wurden zunächst alle seine Untugenden geschildert. Dann mußte er sich zu Boden legen und während die Corona das Beanuslied sang:Beanus ille sordidus

Spectandus altis cornibus,

Ut sit novus Scholasticus

Providerit se sumptibus etc.

wurden die Untugenden von ihm mit allen möglichen Werkzeugen abgehobelt, gehackt, gefeilt und die Hörner nach vielen vergeblichen Versuchen abgeschlagen.

Das geschwärzte Gesicht wurde mit einem Holzmesser gesäubert und rasiert und der Bachantenzahn gezogen. Endlich kommt das Ende der wenig zarten Prozedur. Das Unglückswurm fällt auf die Knie und bekennt, daß er als Bachant sterben wolle.

"Willst Du sterben?" fragt der Depositus.

"Wie ein Bachant."

"Und wie willst Du auferstehen?"

"Wie ein novellus Studiosus."

Feierlich umringt ihn nun die Corona und geleitet den Neugebackenen zu einem Professor. Dieser hält ihm eine längere Rede, prüft ihn, ob er auf der Lateinschule genügend gelernt hat und gibt ihm Salzkörner in den Mund, damit seine Rede immer lieblich und mit Salz gewürzt sei und gießt ihm Wein über den Kopf, damit er auf dem Mittelwege zwischen Freiheit und Freude dahingehe. Nun geht es in den Saal zurück zum Gelage, bei dem heftig gezecht wird, denn der neue Studiosus bezahlt alles.

Aber leider ist die Anerkennung als Student nur äußerlich. Noch wandelt er nicht auf der Menschheit Höhen, denn ihm haften immer noch Mängel an, die er erst in einer Prüfungszeit von einem Jahr, 6 Wochen, 6 Tagen, 6 Stunden und 6 Minuten ablegen muß. Noch gilt er nur als "Pennal", ein Wesen, das tief unter den Studenten steht, ihnen alle möglichen Dienste leisten muß und von ihnen "tapfer agiert, schimpfiert und tribuliert" wird. Er ist ein Rappschnabel, Neovistus, Spulwurm, Feix, Haushahn oder Mutterkalb, der vor den älteren Kommilitonen, den "Schornisten, Pennalputzern, Agierern" einen gewaltigen Respekt hat.

Möglichst schlecht kleidet er sich, denn gute Kleider werden ihm von den Scheristen weggenommen. Keine Feder darf er am Hute tragen, keinen Degen an der Seite führen. In der Kirche darf er nur an bestimmten Stellen beten. Er muß von den Studenten aufstehen und eine tiefe Verbeugung machen. So lange er Geld hat, wird er genötigt, seine Quälgeister einzuladen, bis endlich die Erlösungsstunde naht und er die Absolution erhält, die ihn allen Studenten aller Universitäten gleichstellt.

Dabei muß er feierlich versprechen, unter allen Umständen nach seiner Befreiung als Bursch gerade so andere Pennale zu agieren, wie man es mit ihm gemacht hatte. In feierlicher Zeremonie werden ihm die Haare abgeschoren. Er erhält das Jus gladii, indem man ihm den ersehnten Degen umbindet und endlich die Freisprechung im Namen der heiligen Dreieinigkeit. Dann folgt der Absolutionsschmaus, dessen erhebliche Kosten wieder der neugebackene Student tragen muß.

Erst Ende des 17. Jahrhunderts gelang es, das Pennalwesen, das sehr häßliche Formen angenommen hatte, durch Zusammenwirken aller Universitäten und Landesregierungen einzuschränken.

Seinem feierlichen Gelübke und seinem inneren Drange folgend trieb es der neue Student genau so, wie mit ihm verfahren war. Er suchte sich Einnahme zu schaffen aus Pfründen und Stipendien oder öffnete sich den Beutel reicher Gönner durch lange lateinische Gedichte. Er braucht ja nicht nur für den Lebensunterhalt Geld, sondern auch für seine Kleidung, für die er im Gegensatz zu seiner Pennalzeit große Mittelaufwendet. Während er als Pennal ärmlich und zerrissen gehen mußte, trägt der neugeputzte à la modische Student ein zerschnittenes, wieder zugeheftetes Wamms, darüber liegt ein "stratiotisches" Soldatenkoller.

Eine goldgelbe Schärpe ist oben an der linken Schulter befestigt oder wenigstens um den Leib geschlungen. Er trägt einen Degen, vergoldete Junkersporen und oft weiße Stulpenstiefeln. Der breite Hut hat eine wallende Feder. Um die Schultern ist ein köstlicher Kaufmannskragen (kurzer Mantel) mit nachlässigem Wurf gelegt. So geht er mit seinem schwarzen, gekräuselten Zopfe mehr oder weniger regelmäßig ins Kolleg.

Allerdings stand der geistige Gehalt, der im 17. Jahrhundert auf den Universitäten geboten wurde, auf einer ziemlich niedrigen Stufe. Es ist verständlich, daß während und nach dem 30-jährigen Kriege die materiellen Bedürfnisse das Bedürfnis nach geistiger Fortbildung überwogen. Der deutsche Volksgeist war zu einem kräftigen Aufschwung durchaus unfähig. Die Universitätsprofessoren waren meist pedantische Gelehrte, die nicht geeignet waren, bei den Studenten Freude an ihren Vorlesungen zu erwecken. Zum Teil genossen sie auch wenig Ansehen, da sie vielfach allen Unfug, den die Studenten anstellten, mitmachten. In der Art des Vortrages und der Art der Behandlung der einzelnen wissentschaftlichen Disziplinen wurde während des ganzen Jahrhunderts wenig oder nichts geändert. Man verfiel wieder in den Schlendrian des 15. Jahrhunderts vor dem Auftreten der Humanisten. So las z.B. ein Professor in Tübingen von 1620 - 1624 über den Propheten Daniel, von 1624 - 1649 über Jesaias, von 1649 - 56 über die erste Hälfte des Jeremias.

In der Theologie wurde auf die Reinheit des Glaubens gedrungen, anders Lehrende und Denkende heftig verfolgt. Ein Hauptteil der wissenschaftlichen Übungen blieben die Disputationen. Hierüber sagt der Dr. Johann Matthäus Meiffert sehr geschmackvoll:

Sie fragen ernstlich, läugnen grimmiglich, bejahen trotziglich, zürnen heftiglich, schreien inniglich, stürmen gewaltiglich, wüten beständiglich und stellen sich dermaßen, daß man schwüre, die Zänker müßten bald von den Worten zu den Schlägen geraten. Die übel geschriebenen, wenig verstandenen, närrisch disputieren und elendiglich verteidigten Thesen schickten sich ihren Eltern und Patronen mit stolzen Dediktationen."

Im übrigen ist ihr Benehmen rauh und herzlich. Die Bürger sind für sie "Schmutze, Peche oder Bären", ihre Frauen "alte Hummeln, die Töchter "leichtfertige Säcke".

Sie müssen reiten und fahren, fechten und Hunger leiden können, nur eins lernen sie niemals ertragen und bezwingen, den Durst. Manche befleißigen sich eines fortgesetzten Lebenswandels, wie ihn der vorerwähnte Meiffert folgendermaßen schildert:

"Das öffentliche Kollegium besucht er entweder niemals oder gar zu langsam, hört keine Lektionen. Früh schläft das zarte und liebliche Brüderlein bis 9 Uhr, danach aber, wo etwas Zeit zum Mittagsmahle übrig, bringt er solche zu, die Haare zu kämmen, zu krümmen, zu putzen, zu reiben, nach Läusen zu stellen. Wenn er sich zu Tische gesetzet, frißt der Unmensch wenig, scherzet auch wenig, denn was kann für Höflichkeit in diesem säuischen Leibe und Seele wohnen. Unterdessen aber schüttet er von sich einen vollen Wust von tölpischen Stockereien, von garstigen Unflätereien, zwar dargestellt, daß, sobald er seine übelriechende Goschen öffnet, alle Knaben und Mägdelein davonlaufen, damit sie nicht von dem Atem des pestilenshaftigen Siechen angesteckt werden.

Nach Mittag schläft entweder das faule Murmeltier und Meerkalb oder sitzet in gemeinen Trinkzechen und rüstet sich also zu den annahenden Nachtscharmützeln. Derselbe, wenn er nur seine Kloake mit Wein und Bier sehr wohl befruchtet, und es auf den Gassen wie auch in den Gemachen still geworden, alsdann erhebt er sich mit großem Krachen der Pfosten und Thüren. Da hat man ein wunderlich Schrecken und Trauerspiel von rültzen, grültzen, rauschen, schreien, wüten, steinhauen und -werfen und noch viel mehr Stücke. Wenn zwischen ihm und seinen Saufbrüdern ein Zank entstand, wenn er an die Pflastersteine anstößt, so flucht er 700 Tausend Sakramenten."

Neben den Adligen bildeten die "Professorenburschen" gewissermaßen die Aristokratie der Studenten.

Die am wenigsten Begüterten waren Communitäter oder Convictoristen, die an einer gemeinsamen Tafel im Convict für etwas 8 Schillinge wöchentlich aßen. Besser ging es schon den Bürgerburschen, die für etwa das doppelte bei einem Bürger ihren Mittagstisch hatten und für jährlich 30 Gulden wohnten. Wesentlich höher waren die Beträge, die der "Hausbursch" seinem Professor zahlen mußte. Aber die Eltern daheim waren froh in dem Gedanken, daß ihr Sohn in dem Hause des Universitätsprofessors gleichsam eine Zufluchtsstätte vor den Rohheiten des Studentenlebens gefunden hatte und brachten die größten Opfer, um sie ihm zu erhalten. Gewiß wird ein charaktervoller Mann, wie es der Professor Dreier in Königsberg war, auf seinen Hausburschen Johannes Grulich dabei auch auf anderen Gebieten einen langandauernden Einfluß gewonnen haben. Dafür erfreute sich aber die Frau Professor des erheblichen Zuschußes zum Wirtschaftsgelde, der manchmal erheblicher war, als das oft recht kümmerliche Gehalt.

Die Professorenburschen nahmen sich bei ihrer bevorzugten Stellung allerhand Vorrechte heraus. Sie wollten auf dem Kirchenchor stets vorn am Gitter allein sitzen, sie boten vordringenden Communitäten in der Kirche Ohrfeigen und wiesen sie auf die letzte Bank zurück. Bei allen Disputationen wollten sie am nächsten dem Kathederm stehen. Sie hielten auch ihren eigenen Stammtisch.

Ein Convictorist durfte im Duell gegen sie nicht sekundieren. Sie verlangten, daß die Convictoristen sie zuerst grüßten, nahmen aber selbst den Hut nicht wieder ab. Beim Rektor traten sie mit dem Degen ein, niemandem wichen sie aus, außer Bierträgern und Kapitlern. Professorenburschen riefen beim Ausgießen des Nachttopfes auf die Straße auch nur einmal: "Kopf weg!" Communitäter mußten es wenigstens zweimal tun.

Wenn auch auf den Universitäten nicht das geleistet wurde, was hätte geleistet werden können, so lag der Grund, zum Teil wenigstens, in der geringen Vorbildung, welche die Hörer mitbrachten. Bei der Aufnahme in die Universität wurde keine bestimmte Vorbildung vorausgesetzt, eine bestimmte Studiendauer wurde ebensowenig verlangt, wie die Ablegung regelrechter Prüfungen. Am Ende des 17. Jahrhunderts sagt August Hermann Franke, daß es wenig studiosi Theologiae gäbe, die einen teutschen Brief recht orthographice schreiben könnten. Ein anderer Zeitgenosse berichtet uns:

"Sie besuchen nur kurze Zeit eine Partikularschule, denn die unverständigen Eltern wollen möglichst bald einen Studenten zum Sohn haben. So ziehen sie als Ignoranten auf die Universtität, bald ist die geringe Studentensumme verzehrt und nach einem Jahr läuft der Student nach einer Präzeptur und ist nunmehr ein Expectant und Candidatus ministerii."Immerhin bezogen doch auch viele Studenten die Universität, die, wie Johannes Grulich, das Glück gehabt hatten, eine gute Schule besuchen zu können und trotz des sehr freien, ungezügelten Studentenlebens war das Streben, akademische Grade zu erreichen, und sich so das Fortkommen im späteren Leben zu erleichtern, weit verbreitet.

Der gewöhnliche Gang des strebsamen Studenten war folgender:

Er wurde erst auditor Grammaticorum und befaßte sich mit lateinischen Schriftstellern. Dann ging er als studiosus laureae zu Philosophie, Mathematik, zum Griechischen und zum Disputieren über und wurde nach einer Prüfung Baccalaureus. Diesen untersten Grad akademischer Würde erreichte er nach zwei Jahren. Weiter drang er vor zum Candidatus magisterii und erlangte durch eine Prüfung die Magisterwürde. Später erwarb er die licentia Doctorandi und endlich die summos honores, die Doktorwürde.

Der geistliche Stand erfreute sich in der damaligen Zeit nicht überall besonderen Ansehens. Bis zum 30-jährigen Kriege waren die geistlichen Lehrer und Zuchtmeister ihrer Gemeinden gewesen. Während des Krieges selbst hatte sich das Verhältnis enger gestaltet.

Die Geistlichen waren Berater, Seelsorger und Halt in schwerer Bedrängnis geworden. Sie hatten für die Schlimme Lage ihrer Gemeinden ja auch volles Verständnis, denn sie selbst waren im Kriege in die bitterste Not geraten.

Bareinnahmen hatten Sie außer den Accidentien nicht. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als selbst Landwirtschaft zu treiben. Diese Tätigkeit vertrug sich aber nicht mit der eines Pfarrers. Die Amtsgeschäfte wurden oft vernachlässigt und hinzu kam, daß viele Pfarrer von der Sucht nach Vergnügen und Trunk angesteckt wurden, welche als Folge des Krieges das ganze Volk ergriffen hatte.

Leider sagte man ihnen auch die damals weit verbreitete Freude an gutem Trunk nach. Freilich war die Versuchung besonders stark, denn meist hatten sie das Braurecht und durften im Pfarrhause selbst Bier, Wein und Schnaps ausschenken, wie es uns ja auch von Jakob Grulich überliefert ist.

Bei dem Mangel an Gasthöfen beherbergten sie sogar vielfach Fremde, handelten mit Pferden und trieben auch allerhand Geldgeschäfte.

Bei dem starken Andrange zum geistlichen Berufe war die Art, wie viele Kandidaten zu einer Pfarre gelangten, keineswegs einwandfrei. Sie verpflichteten sich zu.B. nicht nur Wittwen und Töchter des Vorgängers zu heiraten, sondern auch Kammerzofen und andere Bedienstete des Patrons. Die Bestechung, das "Spendieren" spielte eine große Rolle. Vielfach mußten Sie sich sogar verpflichten, dem Patron "in allen Dingen Gehorsam zu leisten".

Überhaupt litt der Pfarrstand häufig unter dem Adel, der seinen früh gewonnen Einfluß rücksichtslos zu erweitern suchte, so ist es kein Wunder, daß der Stand des Geistlichen sich nicht überall besonderen Ansehens erfreute, besonders der der Landpfarrer.  

Noch 1733 hat Friedrich Wilhelm I von Preußen erklärt, daß von 100 lutherischen Geistlichen nur 20 gut und 24 leidlich seien, also 56 schlecht.